“Ein halbes Jahr Rollenspiel online – ein Fazit”

pathfinder hangout fazit

Ein halbes Jahr Pathfinder in Hangout: Kritischer Treffer!

Ein geplanter und höchst freudig erwarteter Nach­wuchs-Zwischenfall stoppt nun meine Pathfinder-Runde, die am 11. April zum ersten und am 10. Oktober zum vorerst letzten Mal stattgefunden hat.

Fast auf den Tag genau ein halbes Jahr lang wurden in 13 zweiwöchentlichen Terminen Monster erschlagen, Schätze aufgeteilt und das Land erkundet. Ein geeig­neter Zeitpunkt für eine Zwischenbetrachtung.

Die Runde bestand immer aus drei bis fünf Spielern, wobei zwischendurch einmal die halbe Belegschaft gewechselt hat, was auf unterschiedliche Spielvorlieben im einen und Motivationstiefs im anderen Fall zurückzuführen war. Das hat der Runde nicht geschadet, im Gegenteil. Eine Erkenntnis, die ich für mich mitgenommen habe, ist also, dass Spielleiten zwar immer anspruchsvoll ist, aber hier sehr unter­schiedliche Ausprägungen existieren. Ganz besonders unvereinbar scheinen mir Genrelastiges Spiel und mein in vielen Belangen offenes Kampagnenspiel zu sein. Auf Genres fixierte Spieler (Ein Waldläufer hat die Stadt zu meiden. Jeder Waldläufer.) fühlen sich bei einer malsehenwaskommt-Truppe nicht gut aufgehoben und umgekehrt.

Was mich etwas überrascht hat, war der Raum, den die Kämpfe eingenommen haben. Gefühlt war ein Abend im Mittel so aufgebaut:

  • 10% Warten auf alle Spieler
  • 5% Neckereien
  • 10% Interaktion mit der Spielwelt
  • 15% Planung vor absehbaren Konfrontationen
  • 60% Kampf

Das hat so lange nicht gestört, wie es spannend war. Aber irgendwann zwischen­durch war ich etwas genervt von Begegnungen, in denen die Spieler quasi Taubenschießen veranstaltet haben, und die sich trotzdem lange zogen, weil ich nun mal keine Ergebnisse vorwegnehmen möchte. Manchmal lag das an meinen bescheidenen Würfen, manchmal an den Gegnern. Auffallend häufig waren die Kämpfe langweilig, bei denen ich tatsächlich mal auf die empfohlene Schwie­rig­keitsstufe geachtet habe. Die zweite Lehre ist also (mal wieder): Pfeif auf das CR. Balancing ist für Langweiler. Ein spannender Kampf erfordert übermächtige Gegner.

Ich habe neulich auf YouTube den Spielbericht einer amerikanischen Truppe Spieler gesehen, die just den selben Kampf gespielt hatten wie meine Gruppe bei unserem letzten Termin (die Feste Vraath aus RHoD). Offenbar hatte der Kollege Spielleiter die Gegner in seiner Runde alle brav in ihren Räumen auf die Spieler warten lassen, denn der Bericht klang, als wäre eine Horde Marines in ein Seniorenstift eingefallen, und als wäre das Beschreiben heroischer Posen ein wesentlicher Bestandteil des Spieleabends gewesen.

Bei mir waren aufgrund des entstandenen Lärms ziemlich bald alle Gegner am Start und entsprechend ist die Gruppe um ein Haar gestorben. Meine Spieler waren auch irgendwie eher frustriert und erledigt, halbe-halbe, denn insgesamt drei Charaktere waren zwischenzeitlich unter 0 TP. Am Ende war es ein Sieg auf ganzer Linie, es wurde sogar ein wichtiger Gefangener gemacht. Aber verdammte Axt, war das knapp gewesen!

Mein Setup bestand aus:

  • einer Community in Google+ für die Terminplanung
  • Hangout für den Ton, dank G+ einfach geplant
  • Roll20 als Spieltisch, nicht in Hangout eingebunden, für mehr sichtbares Fenster
  • TokenTool für das Herstellen von Spielmarkern
  • Google Sites für mein Kampagnen-Wiki
  • Google Docs für diverse allgemeine Dokumente wie XP-Tracker oder ein Kampagnentagebuch
  • Google Drive für die Freigabe kompletter Ordner für Spieler

So skeptisch ich Google gegenüber bin, was die Überlassung privater oder geschäftlicher Daten angeht, so nützlich halte ich es für das Organisieren und Durchführen von Spielrunden. Wer zum Beispiel einen separaten Browser nur für den Google-Account verwendet, hat so viele taugliche Werkzeuge an der Hand.

In Roll20 kann man sich wohl ziemlich austoben, was die Verwaltung von Charakteren angeht, das habe ich aber sehr einfach gehalten. Ich habe nur die Charaktere mit ihrem Namen und ihren TP angelegt, alles weitere haben die Spieler auf ihren Charakterbögen verwaltet. Wer nicht alles in Roll20 macht, hat nur unnötigen doppelten Aufwand.

Ich habe sehr viel Zeit für die Vorbereitung benötigt. Besonders das Erstellen von Karten für Roll20 hat jedes Mal sehr lange gedauert, das werde ich in Zukunft deutlich einschränken, auch wenn die Karten wirklich schick geworden sind: Am Ende wird doch die Hälfte nicht benötigt, kann aber auch nicht sinnvoll an anderer Stelle eingesetzt werden. (Einige Karten habe ich bei Deviantart zur Verfügung gestellt, weitere werden folgen.)

Die Frequenz von zwei Wochen war etwas lang bzw. gerade noch akzeptabel für mein Gefühl von einer fortlaufenden Geschichte. Dadurch, dass die Kämpfe so lange dauerten, kam der Rest, der ja viel vom eigentlichen Rahmen ausmacht, manchmal etwas kurz. Für dreizehn Spielrunden hat sich im Nachhinein er­staun­lich wenig gedreht im Gesamtverlauf. Andererseits weiß ich nicht, wie ich das hätte beschleunigen sollen, ohne heftig in den Fluss sich ergebender Kon­se­quenzen einzugreifen. Ein bisschen lag das wohl an der Struktur der Abenteuer, die wir bisher gespielt haben. Und jetzt, wo sich zum ersten Mal die Notwendigkeit strategischer Planung abzeichnet, ist eben Pause. Aber dann hab ich ja was, auf das ich mich freuen kann.

Abschließend kann ich sagen, dass das Spielen über Internet sehr gut funktioniert und genau so viel Spaß macht wie am Tisch, auch wenn ich eigentlich lieber mehr Figürchen und Dungeon Tiles bewegen würde. Wenn ich daran denke, eine Traveller-Kampagne zu leiten, mit der online verfügbaren Karte und allem Schnickschnack, dann juckt es mich gewaltig. Aber mehr dazu in einigen Monaten.

PS: Falls das ein gewisser Herr Spielleiter liest, bei dem irgendwie noch min­destens ein halber Con Mechkrieger aussteht? Also, online klappt echt gut, und ich übernehme auch gern organisatorischen Schnickschnack.

Veröffentlicht am 26. Oktober 2014, 4 Kommentare

Kommentare:

  • Greifenklaue sagt:

    Du hattest jetzt ganz frei geleitet oder Kingmaker-orienriert. Da versagt das CR-System ehh (üblicherweise eine Begegnung pro Tag, Magier & Co können alles rausrotzen, das wird frühestens bei der zweiten Begegnung spannend). Da hab ich auch ordentlich nachgewürzt.

    • Benjamin sagt:

      Das war normales Abenteuerspiel, nix Kingmaker oder Lehensspiel. Also, gute Begegnungen sind echt ein Thema für sich. Da weiß man doch, warum gute Kaufabenteuer Geld wert sind.

  • Falk sagt:

    die naheliegendste Maßnahme zur Beschleunigung des Spieles ist es, etwas anderes als Pathfinder zu verwenden. Da muss man wohl out-of-the-box denken.

    Meine Erfahrungen mit Onlinerunden (Lofp, Unisystem) hatten einen erheblich höheren Grad an Interaktion und stark reduzierten Zeitaufwand bei Kämpfen zur Folge. Vom reinen Spielfluss her macht mir online daher wesentlich mehr Spass als offline. Jedoch kann es das gemeinsame Treffen am Spielabend nicht ersetzen.

    • Benjamin sagt:

      Ja, als die Anfragen nach Charakteroptionen aus diesem und jenem Quellenbuch zahlreicher wurden, hab ich schon mal überlegt, auf Labyrinth Lord zu wechseln. Ich bin ernsthaft versucht, das auszuprobieren, wenn wir weitermachen. Danke für die zusätzliche Anregung. =)